Die Parfumindustrie retrospektiv: François Coty, Ikone aus Frankreich

Die Parfumindustrie retrospektiv: François Coty, Ikone aus Frankreich

Aktuelle Marktlagen, Produkt- und Markenentwicklungen lassen sich erst vor dem Hintergrund historischer Entwicklungen analysieren, verstehen und darstellen. In den letzten Tagen hat mein Themenliteratur-Repertoire wieder eine erfreuliche Bereicherung durch zwei Bücher erfahren, die sich den Inhalten Paul Poiret/Rosine Parfums (Christine Meyer-Lefkowith, 2007) und François Coty (Elisabeth Barille, Keiichi Tahara, 1995) widmen. Diese beiden Protagonisten haben die Entwicklung der Industrie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts maßgeblich forciert.

Besonders François Coty, der als François Spoturno geboren wurde, hat mit seinen Formulierungen und seiner Herangehensweise die Industrie geprägt und verändert. Er wird als „Napoleon der Parfümerie“ beschrieben: wie Napoleon stammt er aus dem korsischen Ajaccio, wo er 1874 geboren wurde. Um 1900 kam er nach Paris. Coty wechselte aus Marketinggründen den Namen und erlernte bei Chiris in Grasse das Parfumhandwerk. Coty begann daraufhin, vor den Toren von Paris in der Parfumstadt Suresnes,  in der schon Königin Marie-Antoinettes Parfumeur Jean-Louis Fargeon komponierte, die damaligen Gesetze der Industrie zu verändern. Damals waren in der Industrie 300 Parfumhersteller, 2.000 Einzelhändler und 20.000 Beschäftigte tätig. Schon bald beschäftigte Coty allein 4.000 Arbeitnehmer. Seine Maxime für die Produktion war: „Ein gutes Produkt herzustellen, reicht nicht aus. Man muß es anpreisen, verherrlichen. Man muß verführen“ (Christine Meyer-Lefkowith, 2007: 33). Diese Idee realisierte er mit den damaligen technischen Möglichkeiten, die erst durch die Industrialisierung möglich wurden; vor allem aber auch das heute industriecharakteristische und produktimmanente Marketing erlangte Bedeutung . Dem namhaften Feldherrn Napoleon gleich veränderte er das bis dato existierende Erscheinungsbild von Parfums, Marken und der bisher gekannten Parfumwelt.

Die Maßgabe der ausgeklügelten Verführung für den Vertrieb seiner Produkte berührte zahlreiche Details. Im Gegensatz zu den altmodischen Flaschenverzierungen seiner Konkurrenten wollte Coty mit allen Sinnen die Kundenschaft umwerben: von der abstrakten Parfumkreation, der Schaffenskraft eines Künstlers also, bis zur Betonung des Flakons als Kunstwerk, wie durch die Zusammenarbeit mit René Lalique begründet. Es entstanden Klassiker wie L’Origan (1905),  Chypre (1917), Paris (1922) und L’Aimant (1927). Gerade durch die Erschließung der USA als Absatzmarkt – ein Renner war zum Beispiel die vielzitierte Puderdose zu „L’Origan“ – erfuhren die Produkte einen reißenden Absatz in den USA noch vor dem 1. Weltkrieg. Coty wurde reich. Das Buch schildert die Entwicklungen im Hause und Veränderungen über die Jahre hinweg.

Mittlerweile ist das ursprünglich von Coty gegründete Unternehmen ein wichtiger internationaler Player.  Coty Inc., auf die 1913 auf der 5th Avenue in New York hervorgegangene Niederlassung zurückzuführen, hat Lizensrechte auf zahlreiche Marken; die Firma ist mit den beiden Säulen Coty Beauty und Coty Prestige für Lancierungen von adidas über Esprit zu Jennifer Lopez bis hin zu Joop!, Davidoff und Balenciaga, um nur eine geringe Markenauswahl zu nennen, verantwortlich.

François Coty hat maßgeblich dazu beigetragen, die Parfumindustrie zu modernisieren. Charismatische Entscheider haben auch in der Folge immer wieder die Chance ergriffen, die wirtschaftlichen Möglichkeiten zu revolutionieren und so das Erscheinungsbild der Parfumindustrie zu verändern. Wenn vielleicht auch nicht in diesen Dimensionen, so ist steter Wandel was Produkt- und Markenentwicklungen, Vertriebs- und Absatzmöglichkeiten sowie Konzept-, Projekt- und Strategiemanagement anbelangen nach wie vor charakteristisch für eine Industrie, die sich dem Schönen und Guten widmen will.




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