Entschleunigung und Parfum

Entschleunigung und Parfum

In einem kürzlich für Rondo –Beilage der größten österreichischen Tageszeitung Der Standard – gegebenen Interview zum Buchtitel „Das große Buch vom Parfum“ (mit Frank J. Schnitzler bei Collection Rolf Heyne) habe ich den Begriff des „slow perfume“ gebraucht. Diesen Begriff habe ich, analog zum „slow food“, eher beiläufig in einer Art „Arbeitsdefinition“ vorgeschlagen. Mittlerweile herrscht zu diesem Begriff die diametrale Wahrheit des „fast perfume“ vor: blickt man auf die Entstehungs- und Halbwertszeit von Parfums in den Regalen sowie deren Massengutcharakter, finden sich immer weniger langlebige Produkte.

Zu den wichtigen Grundideen des Konzeptes „slow food“ gehören die nachfolgenden Punkte, die der website der Non-Profit Organisation SlowFood® Deutschland entnommen sind und die in wichtigen Punkten Parallelen zum Konstrukt „slow perfume“ bieten können.

„Slow food“:

1. ist eine weltweite Vereinigung von bewussten Genießern und mündigen Konsumenten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Kultur des Essens und Trinkens zu pflegen und lebendig zu halten.
2. fördert eine verantwortliche Landwirtschaft und Fischerei, eine artgerechte Viehzucht, das traditionelle Lebensmittelhandwerk und die Bewahrung der regionalen Geschmacksvielfalt.
3. bringt Produzenten, Händler und Verbraucher miteinander in Kontakt, vermittelt Wissen über die Qualität von Nahrungsmitteln und macht so den Ernährungsmarkt transparent.

Wichtig sind als Verbindungspunkte zur Idee des „slow perfume“ die folgenden ersten fünf Konstituenten einer fluide als „Bewegung“ zu bezeichnenden Gruppe aus  beseelten Herstellern und Duftenthusiasten:

a. eine Kultur der Achtung der glaubwürdigen Authentizitität einer Marke

b. eine Wertschätzung der Ideengeber und Kreateure eines Parfums

c. eine Bodenhaftung und gedankliche wie physische Nähe zwischen Kreateur und Duftkunden

e. eine Rekalibrierung und Entschleunigung des als Konsumgut oder gar als „fast changing consumer good“ kommerzialisierten Kulturgutes Parfum

f. eine Dezentralisierung und Abkehr vom Fetischismus der (Massen-)Marke hin zur Zentralisierung auf die Historie und Eigenart von Parfums und Inhaltsstoffen

Diese Formulierungen der gedanklichen Unterscheidung, wie ein Parfum im Gegensatz zum Massengut auch denkbar, multi-sensorisch fühlbar und trotzdem wirtschaftlich erfolgreich sein kann, ist eine initiale Beschreibung auf dem Weg in Richtung entschleunigter Märkte auch in diesem Metier.


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